16
Mai
2006

Die Biertisch-Integrationsdebatte der Regierung ist rassistisch

Die Biertisch-Integrationsdebatte der Regierung ist rassistisch
ZARA ist über Prokop/Schüssel-Aussagen entsetzt

(Wien, 16. Mai 2006) - Wenn eine amtierende Innenministerin von einer „Zeitbombe“ spricht, dann ist das eine ernste Sache. Wenn sie behauptet, dass 45 Prozent der hier lebenden Muslime nicht „integrationswillig“ seien, dann ist das sehr ernst. Wenn sie dann noch den Schluss zieht, dass diese Personen „bei uns“ nichts zu suchen hätten, dann wird es wirklich äußerst gefährlich.

Die Frau Ministerin zitiert dazu aus einer – praktischerweise noch unfertigen und unveröffentlichten – „Studie“ der Sicherheitsakademie. Über Nachfrage der APA ist dann zu erfahren, dass eine Befragung von 600 Moslems ergeben habe, dass 20 Prozent aufgrund ihres religiösen Hintergrundes und 25 Prozent aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes „Schwierigkeiten mit der Integration“ hätten.

Wie die Ministerin diese Daten interpretiert, wissen wir ja bereits: etwa die Hälfte der Muslime wollen sich nicht integrieren – sind also „nicht integrierbar“ – und sollten daher des Landes verwiesen werden – schnell – bevor sie als „Zeitbombe“ in die Luft gehen.
„Wir zwingen niemanden, dass er herkommt“, sagt sie, als oberste Verantwortliche für den Zwang der bei der „Ausreise“ – in Form von Zurück- und Ausweisung, Abschiebung und Schubhaft sehr wohl ausgeübt wird.

Paradebeispiel für Rassismus
Diese Vorgangsweise ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie Rassismus geschürt werden kann. Bestehende Vorurteile werden mit Hilfe von – nicht öffentlich zugänglichen – „Studien“ bestätigt. Die bestehende Autorität eines Ministeramtes wird als Instrument genützt um eine Gruppe von Menschen zu isolieren und als „Problemfall“ darzustellen. Wundervolle Nachricht für alle die „es ja eh schon immer gewusst“ haben und an den näheren Fakten gar nicht interessiert sind. Sie werden sich auch von nachfolgenden kalmierenden „Berichtigungen“ nicht mehr beeindrucken lassen. Sie haben ja schon gehört was sie hören wollten. Aber auch bisher noch nicht rassistisch „Infizierte“ werden durch die evozierten Bilder von „Zeitbomben“ und „Zuständen wie in Paris“ alarmiert und verunsichert. Wer will denn schon mit einer Zeitbombe leben? Leider ist der wahre Inhalt der Studie dadurch bereits irrelevant geworden – der Schaden ist bereits eingetreten und nicht mehr wirklich gutzumachen – außer durch klare und unmissverständliche Worte der gesamten Regierung. Leider aber sind Kanzler Schüssels Worte tatsächlich unmissverständlich: Er legt in seiner Rede „Zur Lage der Nation“ noch ein gewaltiges Schäuflein nach und bringt auch noch Ehrenmorde und „Zwangsehen“ sowie „österreichische Traditionen“ ins Spiel. Jetzt muss allen klar sein: Wir haben Wahlkampf und die ÖVP hat sich bereits festgelegt. Es wird ein schmutziger Wahlkampf! Der rechte Rand soll ganz abgeschöpft werden. Mit hingeworfenen Halbwahrheiten und unter Berufung auf das ach so wohlige „Wir-Gefühl“ werden Muslime dämonisiert. Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, ist leider widerlegt: Diese Aussagen sind Prokop nicht „passiert“ – und sie war auch nicht ungeschickt. Das ist der volle Ernst der größeren Regierungspartei.

Rassistische Sündenbockstrategie der Regierung
Diese Debatte ist Strategie, und das Thema ist Integration als „Problem“. Und dieses „Problem“ ist dieser Regierung so wichtig, dass die Verantwortung dafür den Bürgern und Bürgerinnen überlassen wird. Integration kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie einen beidseitigen Prozess darstellt, kann nur dann erfolgreich sein, wenn der einseitige Wunsch nach Anpassung an vorgegebene Werte, an Sprache etc. verbunden ist mit ausreichenden Möglichkeiten gestalterisch an der Gesellschaft teilzunehmen – durch Anerkennung von Ausbildungen und Qualifikationen, durch Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, durch gleichberechtigten Zugang zu Bildung. Diese Aufgaben sind von Seiten des österreichischen Staates zu erfüllen, und diese Aufgaben nimmt diese Regierung so ernst, dass erst der EUGH drohen muss, bis Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt werden, dass die Ressourcen, die für die konkrete Bekämpfung von Diskriminierungen zur Verfügung stehen peinlich gering sind, dass im Schulbereich Lehrpersonal zur Unterstützung von Kindern mit Migrationshintergrund gekürzt wird.

Die nun proklamierte Haltung der Regierung ist gefährlich, insbesondere auch für zukünftige Integrationsprozesse. Jeglicher Forderung an den Staat, seine Verantwortung wahrzunehmen, Integration, Anti-Diskriminierung und Gleiche Chancen in unserer Gesellschaft zu verankern,
steht nun ein „aber, die sind ja gar nicht integrationswillig“, entgegen.

Diese Biertisch-Integrationsdebatte ist rassistisch. Das will jetzt aber auch keiner hören. Hört doch auf mit der ewigen Rassismuskeule! Sollen denn die Probleme gar nicht mehr angesprochen werden dürfen? Immer gleich „Rassismus!“ schreien, das nimmt doch keiner mehr ernst.
Tatsächlich tut sich die Anti-Rassismus Szene schwer mit der Reaktion auf derartig offensichtliche Angriffe. Es scheint oft unmöglich, gegen populistische Einwürfe erfolgreich zu sein. Freilich kann man mit wohlüberlegten Worten versuchen, ein paar der Scherben wieder zusammenzukleben. Aber: Differenzierte Betrachtungen sind mühsam und erwecken leicht den Eindruck langweilig zu sein. Sie sind immer schwächer als die vorgeblich einfachen populistischen „Lösungen“.

ZARA bleibt dennoch dabei: Diese Sündenbockstrategie der Regierung ist zutiefst rassistisch. Und: Rassismus ist das weitaus größte Integrationshindernis in diesem Land.

Rückfragehinweis:
Karin Bischof – ZARA-Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 929 13 99-18
E-Mail: presse@zara.or.at
www.zara.or.at
http://www.zara.or.at

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