18
Apr
2006

"Haben Befehl, dich umzubringen"

DER STANDARD, 15.04.2006, Seite 12, Chronik

"Haben Befehl, dich umzubringen"

Die Aussage von Bakary J. liest sich wie ein Folterprotokoll aus einer Militärdiktatur. Die drei suspendierten Beamten der Wiener Spezialeinheit Wega behaupten hingegen, der 33-jährige Gambier habe nach einer abgeblasenen Abschiebung versucht zu flüchten.

Michael Simoner

Wien - Je mehr Details zur mutmaßlichen Misshandlung eines Schubhäftlings aus Gambia durch drei Polizisten bekannt werden, desto mehr fühlt sich Heinz Patzelt, Österreich-Chef von Amnesty International, an Zustände in einer Militärdiktatur erinnert. "Es gibt erhebliche Verdachtsmomente, dass mehr Beamte involviert sein könnten", so Patzelt am Freitag zum STANDARD.

Wie berichtet, sollte Bakary J. (33) nach einer verbüßten Haftstrafe wegen Drogenhandels am 7. April per Flugzeug abgeschoben werden. Der Pilot erklärte dem Gambier allerdings, dass er nicht gegen seinen Willen zum Mitfliegen gezwungen werden könne. Daraufhin wurde die Aktion abgeblasen. Danach gehen die Schilderungen auseinander.

Die inzwischen suspendierten Beamten der Wiener Spezialeinheit Wega behaupten, Bakary J. habe auf dem Weg zurück in die Schubhaft zweimal einen Fluchtversuch unternommen, der nur mittels Einsatz von körperlicher Gewalt verhindert werden konnte. So ließen die Beamten im Patientenblatt des Wiener AKHs, wo der verletzte 33-Jährige behandelt werden musste, unter Unfallhergang auch "Widerstand gegen die Staatsgewalt" eintragen.

Bakary J. schildert den Vorfall so: Er sei ohne erkennbaren Grund in eine leer stehende Lagerhalle gebracht worden. Dort sei er geprügelt, mit dem Auto angefahren und mit dem Umbringen bedroht worden. Im Vernehmungsprotokoll des Büros für besonde- re Ermittlungen, das dem STANDARD vorliegt, heißt es: "Der Polizist sagte: ,Ich habe dir ja gesagt, das ist kein Witz, wir sind ein Spezialkommando, und wir haben Befehl, dich umzubringen. (. . .) Kennst du Hitler?' Ich sagte: ,Ich habe von ihm gehört.' Er zog den Strick fest und sagte: ,Hitler killed 6 million jews, you are 6 Million and one.'"

Unmittelbar vor der mutmaßlichen Folteraktion sollen die Wega-Leute zahlreiche Handygespräche geführt haben. Was für Patzelt den Verdacht nahe legt, dass mehrere Personen davon gewusst haben könnten. Er fordert eine Auswertung der Rufdaten.

Der vierte Mann

Ungeklärt ist auch noch, welche Rolle ein vierter Mann gespielt hat. Möglicherweise handelte es sich um einen Polizisten in Zivil, der dem Treiben ein Ende gesetzt hat. Suspendiert wurden nur drei Beamte, auch die gerichtlichen Ermittlungen beziehen sich derzeit nur auf das Trio.

Bakary J. ist mit einer Österreicherin verheiratet, das Paar hat zwei Kinder. Derzeit befindet er sich wieder in Schubhaft. "Er sieht aus, also ob er Mike Tyson in die Quere gekommen wäre",schildert sein Rechtsvertreter Nikolaus Rast.

Der Anwalt will alles ausschöpfen, um eine Abschiebung zu verhindern. Auch Patzelt warnt: "Wenn der Mann jetzt abgeschoben wird, könnte man den Eindruck erhalten, die Polizei will einen Zeugen loswerden." Er habe aber den Eindruck, dass die Behörde um völlige Aufklärung bemüht sei.

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DER STANDARD, 14.04.2006, Seite 1, Titelseite

Misshandlungsvorwürfe gegen Polizei

Wien - Sieben Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Marcus Omofuma wurde Donnerstag ein neuer Skandal im Zusammenhang mit einem Schubhäftling bekannt: Drei Polizeibeamte der Wiener Einsatzgruppe Wega sollen einen 33-jährigen Gambier massiv misshandelt haben.

Der wegen Drogenhandels mit einem Aufenthaltsverbot belegte Bakary J. sollte vergangenen Freitag per Flugzeug abgeschoben werden. Als er sich weigerte, brachten ihn die Beamten in eine von der Polizei angemietete Lagerhalle in Wien-Leopoldstadt. Dort soll er geprügelt sowie mit einer Pistole bedroht worden sein. Die Beamten wurden suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt. (red)

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DER STANDARD, 14.04.2006, Seite 8, Chronik

Anzeige wegen "privater Strafaktion"

In einer Lagerhalle sollen Wiener Polizisten einen Schubhäftling bedroht und misshandelt haben, nachdem dieser sich gegen seine Abschiebung per Flugzeug gewehrt hat. Die Beamten wurden mittlerweile suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Michael Möseneder

Wien - Im Dezember 2004 bekamen die Mitarbeiter des "Abschiebeteams" noch den "Sicherheitsverdienstpreis für Wien". Die Beamten der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) hätten "überdurchschnittlich hohe Leistungen in der Bewältigung der psychischen und physischen Belastungen bei Problemabschiebungen" bewiesen, lobte der Sponsor damals. Drei Mitglieder der Gruppe dürften die Belastung doch nicht so gut bewältigt haben: Sie stehen unter dem Verdacht, am vergangenen Freitag einen Schubhäftling misshandelt zu haben.

Am 8. April hätte Bakary J. zurück nach Gambia gebracht werden sollen. Der 33-Jährige, gegen den nach zwei Verurteilungen wegen Drogenhandels ein Aufenthaltsverbot bestand, wurde von den drei Wiener Exekutivbeamten auch ohne Zwischenfälle zum Flughafen Schwechat gebracht. An Bord des Jets kam er allerdings nicht mehr - er "widersetzte sich beim Einsteigen in das Flugzeug den Maßnahmen, und die Abschiebung musste abgebrochen werden", heißt es dürr in einer Aussendung der Polizei.

"Er hat dem Piloten gesagt, er fliegt nicht mit, weil er hier eine Frau und zwei Kinder hat. Der Pilot hat sich daraufhin geweigert zu starten", schildert Ronald Rast, Anwalt des Betroffenen, die Situation vor dem Vorfall, der seit Donnerstag auch die Staatsanwaltschaft beschäftigt.

Denn statt den Mann, wie vorgesehen, zurück in die Schubhaft zu bringen, machten die drei Polizisten mit ihm einen "Umweg" in den Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt. In eine Lagerhalle, die von der Polizei für Trainings angemietet worden ist. Dort sei er gezwungen worden, sich auf den Boden zu hocken, währen die Beamten mit einem Auto auf ihn zufuhren, behauptet der Betroffene. Auch geschlagen und getreten worden soll er sein.

Die drei Beamten, 37 bis 42 Jahre alt, stellten die Sache zunächst noch anders dar. Bei der Rückfahrt vom Flughafen sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen, sie verpassten Bakary J. eine Anzeige we- gen "Widerstands gegen die Staatsgewalt." Die deutlichen Verletzungsspuren des 33-Jährigen führten aber rasch zu internen Ermittlungen der Wiener Polizei. Die ersten Ergebnisse waren offenbar so belastend, dass die Beamten suspendiert und der Menschenrechtsbeirat verständigt wurden.

Die Ehefrau des Schubhäftlings, eine gebürtige Wienerin, wandte sich ebenso wie die Polizei selbst an die Staatsanwaltschaft und erstattete Anzeige. "Derzeit richtet sich der Verdacht gegen alle drei Beamte, die Vorerhebungen sind eingeleitet", bestätigt Walter Geyer, Sprecher der Wiener Anklagebehörde.


Maximal drei Jahre Haft

Verletzungen seien von einem Amtsarzt bestätigt worden. In zwei Richtungen wird nun ermittelt: Für das Delikt "Quälen oder Vernachlässigen eines Gefangenen" drohen den Beamten bis zu zwei Jahre Haft, für die "Gefährliche Drohung" mit dem Tod sogar bis zu drei Jahre.

Polizeiintern ist man über den Vorfall ziemlich verstört, waren die Beamten doch bisher nicht als gewalttätig aufgefallen, wie beteuert wird. Im Gegenteil, die "Abschiebeteams" seien speziell geschult, hätten psychologische Schulungen und Sprachkurse absolviert und würden auch mit der Schubhaftbetreuung gut zusammenarbeiten.

Dass nur eine Hand voll Beamte für Abschiebungen per Luftweg zuständig ist, ist das Resultat einer Reform nach dem Tod von Marcus Omofuma. Der 25 Jahre alte Nigerianer starb vor fast genau sieben Jahren am 1. Mai 1999 auf dem Flug von Wien nach Sofia, als er gefesselt und mit Klebeband geknebelt erstickte. Die drei Fremdenpolizisten die ihn begleiteten wurden später wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen zu jeweils acht Monaten bedingter Haft verurteilt.

In ersten Reaktion kritisierten die Grünen den Vorfall als "unfassbar und schockierend." Offenbar hätten die Polizisten eine "private Strafaktion" veranstaltet.



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