Eine Interessanter Artikel von Barbara Coudenhove-Kalergi
DER STANDARD, Print, 31.10.2005:
Wahlkampfthema Ausländer - ja bitte!
Wenn sich die anderen Bewerber von H. C. Strache nicht ins Bockshorn jagen lassen - Kolumne von Barbara Coudenhove-Kalergi
Das Ausländerthema soll das bestimmende Thema im kommenden Nationalratswahlkampf werden, lese ich. Der Grund: H. C. Strache hat mit Anti-Ausländer-Losungen in Wien 15 Prozent eingefahren. Gehen wir also einem bundesweiten Ausländerwahlkampf entgegen? Trübe Aussichten - allerdings nur dann, wenn die anderen Parteien sich von der Strache-Truppe nicht nur das Anliegen, sondern auch die Rezepte vorgeben lassen. Denn dass Zuwanderung und Integration in einer Gesellschaft wie der unseren von entscheidender Bedeutung sind, ist wahr, und dass sie Probleme mit sich bringen nicht minder. Wilhelm Molterer hat recht, wenn er die Parole "handeln, nicht wegschauen" ausgibt. Nur, wenn "handeln" heißt, Kindern, die in der Schule durchfallen, keine Staatsbürgerschaft zu geben, sind wir auf dem Holzweg.
Man könnte das Ausländerthema in Österreich nämlich durchaus auch offensiv angehen, freilich mit umgekehrten Vorzeichen: als Erfolgsgeschichte. Ich habe die vergangene Woche in Großbritannien verbracht, wo die Medien voll waren von neuen "riots" (Unruhen) in Mittelengland und von einer Schuldebatte, die von der Suche nach besserer Qualität in den vor allem von gesellschaftlich benachteiligten Kindern besuchten Großstadtschulen beherrscht war. Der Vorschlag der Regierung: mehr Autonomie für Schulleitung und Eltern. Das Gegenargument ihrer Kritiker: Das hilft vor allem der ehrgeizigen Mittelklasse, nicht denen, die vom Zurückbleiben bedroht sind. Die Briten sind zu vornehm, um derartige Probleme unter der Rubrik "Ausländer" abzuhandeln, aber jeder weiß, dass unter Gewalt und schlechter Schulbildung vor allem Zuwanderer zu leiden haben.
Ich musste beim Lesen solcher Geschichten ständig denken: glückliches Österreich! In Wien ist jeder Vierte im Ausland geboren, in Österreich jeder Zehnte. Aber von "riots" ist weit und breit nichts zu sehen, die allermeisten Zuwanderer kommen aus Ex-Jugoslawien und ihre Integration ist in den letzten Jahren auf eine geradezu vorbildliche Weise geglückt, obwohl die Rahmenbedingungen alles andere als ideal waren. Ich kenne eine junge Bosnierin, die soeben ihr Germanistikstudium mit Glanz abgeschlossen hat. Auch das ein Aspekt zum Thema Deutschkenntnisse. Die Leute schimpfen zwar auf die "Ausländer", aber im allgemeinen kommen sie mit ihnen aus. Der "Schmelztiegel Wien" hat im Laufe des letzten Jahrhunderts eine Tradition geschaffen, die wir ruhig mehr schätzen und propagieren könnten.
Nicht, dass es nicht trotzdem jede Menge Probleme gäbe und die Politik - etwa in Sachen Förderlehrer, Asylrecht, Arbeitsmöglichkeiten - nicht vielfach versagt hätte. Wir brauchen sehr viel mehr Politiker mit Immigranten-Hintergrund und ein Österreichbild, das die zugereisten Österreicher voll Selbstverständlichkeit mit einschließt. Aber einen Angstwahlkampf à la Strache brauchen Parteien, die sich zu einem anständigen Umgang mit Zuwanderern bekennen, weiß Gott nicht zu fürchten. Wenn ÖVP- Geschäftsführer Lopatka - offensichtlich Nachkomme einer Zuwandererfamilie - nach der Wien-Wahl meinte, Bürgermeister Häupl sei für seine tolerante Ausländerpolitik "abgestraft" worden, so kann man nur sagen: So eine "Abstrafung" würde sich manche Partei sehnlichst wünschen.
Soll es also 2006 einen "Ausländerwahlkampf" geben? Wenn sich die anderen Bewerber von H. C. Strache nicht ins Bockshorn jagen lassen, nicht Angst schüren, sondern über Lösungen nachdenken - von mir aus: ja bitte.
Wahlkampfthema Ausländer - ja bitte!
Wenn sich die anderen Bewerber von H. C. Strache nicht ins Bockshorn jagen lassen - Kolumne von Barbara Coudenhove-Kalergi
Das Ausländerthema soll das bestimmende Thema im kommenden Nationalratswahlkampf werden, lese ich. Der Grund: H. C. Strache hat mit Anti-Ausländer-Losungen in Wien 15 Prozent eingefahren. Gehen wir also einem bundesweiten Ausländerwahlkampf entgegen? Trübe Aussichten - allerdings nur dann, wenn die anderen Parteien sich von der Strache-Truppe nicht nur das Anliegen, sondern auch die Rezepte vorgeben lassen. Denn dass Zuwanderung und Integration in einer Gesellschaft wie der unseren von entscheidender Bedeutung sind, ist wahr, und dass sie Probleme mit sich bringen nicht minder. Wilhelm Molterer hat recht, wenn er die Parole "handeln, nicht wegschauen" ausgibt. Nur, wenn "handeln" heißt, Kindern, die in der Schule durchfallen, keine Staatsbürgerschaft zu geben, sind wir auf dem Holzweg.
Man könnte das Ausländerthema in Österreich nämlich durchaus auch offensiv angehen, freilich mit umgekehrten Vorzeichen: als Erfolgsgeschichte. Ich habe die vergangene Woche in Großbritannien verbracht, wo die Medien voll waren von neuen "riots" (Unruhen) in Mittelengland und von einer Schuldebatte, die von der Suche nach besserer Qualität in den vor allem von gesellschaftlich benachteiligten Kindern besuchten Großstadtschulen beherrscht war. Der Vorschlag der Regierung: mehr Autonomie für Schulleitung und Eltern. Das Gegenargument ihrer Kritiker: Das hilft vor allem der ehrgeizigen Mittelklasse, nicht denen, die vom Zurückbleiben bedroht sind. Die Briten sind zu vornehm, um derartige Probleme unter der Rubrik "Ausländer" abzuhandeln, aber jeder weiß, dass unter Gewalt und schlechter Schulbildung vor allem Zuwanderer zu leiden haben.
Ich musste beim Lesen solcher Geschichten ständig denken: glückliches Österreich! In Wien ist jeder Vierte im Ausland geboren, in Österreich jeder Zehnte. Aber von "riots" ist weit und breit nichts zu sehen, die allermeisten Zuwanderer kommen aus Ex-Jugoslawien und ihre Integration ist in den letzten Jahren auf eine geradezu vorbildliche Weise geglückt, obwohl die Rahmenbedingungen alles andere als ideal waren. Ich kenne eine junge Bosnierin, die soeben ihr Germanistikstudium mit Glanz abgeschlossen hat. Auch das ein Aspekt zum Thema Deutschkenntnisse. Die Leute schimpfen zwar auf die "Ausländer", aber im allgemeinen kommen sie mit ihnen aus. Der "Schmelztiegel Wien" hat im Laufe des letzten Jahrhunderts eine Tradition geschaffen, die wir ruhig mehr schätzen und propagieren könnten.
Nicht, dass es nicht trotzdem jede Menge Probleme gäbe und die Politik - etwa in Sachen Förderlehrer, Asylrecht, Arbeitsmöglichkeiten - nicht vielfach versagt hätte. Wir brauchen sehr viel mehr Politiker mit Immigranten-Hintergrund und ein Österreichbild, das die zugereisten Österreicher voll Selbstverständlichkeit mit einschließt. Aber einen Angstwahlkampf à la Strache brauchen Parteien, die sich zu einem anständigen Umgang mit Zuwanderern bekennen, weiß Gott nicht zu fürchten. Wenn ÖVP- Geschäftsführer Lopatka - offensichtlich Nachkomme einer Zuwandererfamilie - nach der Wien-Wahl meinte, Bürgermeister Häupl sei für seine tolerante Ausländerpolitik "abgestraft" worden, so kann man nur sagen: So eine "Abstrafung" würde sich manche Partei sehnlichst wünschen.
Soll es also 2006 einen "Ausländerwahlkampf" geben? Wenn sich die anderen Bewerber von H. C. Strache nicht ins Bockshorn jagen lassen, nicht Angst schüren, sondern über Lösungen nachdenken - von mir aus: ja bitte.
Respekt - 2. Nov, 14:46