29
Okt
2005

Wie sollen wir die Wiener Wahlen beurteilen?

Ljubomir Bratic vom "BUM - Büro für ungewöhnliche Massnahmen" hat einen Artikel unter dem Titel "Wie sollen wir die Wiener Wahlen beurteilen?" verfasst. Mit seiner Erlaubnis hier der Text für alle meine LeserInnen:


Wie sollen wir die Wiener Wahlen beurteilen?

Zunächst einmal sehe ich keinen Grund für Panik. Die sozialliberalen Parteien haben dazu gewonnen und die Rechtsliberalen haben insgesamt verloren, wenn wir die Wahlresultate der beiden letzten Wahlen vergleichen. Dies bedeutet aber keineswegs, dass wir wegen dem Sieg der Sozialliberalen einen Grund zum Feiern haben. Die Ratlosigkeit und Vogel-Strauss-Politik der Wiener Regierung bezüglich der MigrantInnen wird weiter andauern. Die Mutlosigkeit bezüglich der - noch von Ex-Integrationstadrätin Renate Brauner initierten – sehr mutigen Wahlrechtsinitiative hat sich schon beim aller ersten Inteview der neuen Integrationstadträtin Sonja Wehsely gezeigt und dieser Zustand dauert bis heute, wie wir aus den Presseberichten über ihre Tätigkeit und aus den Presseaussendungen ihres Büros entnehmen können. Den neuen Restriktionen im „Fremdenpaket“ haben die SozialdemokratInnen auf Bundesebene mit dem Argument, dass es noch schlimmer hätte werden können, zugestimmt. Die Häftlinge der rassistischen Operation Spring sitzen nach wie vor hinter Gittern. Der Menschenrechtsbeirat – installiert nach der Tötung von Marcus Omofuma – ist zur einem reinem Alibiinstrument verkommen. Und die Gefängnisse springen aus allen Nähten, weil sie mit MigrantInnen überfüllt sind. 45% der Insassen dort sind nach den Worten der Justizministerin „Ausländer“. Diese Liste ist keineswegs zu Ende gedacht und könnte sicher nach einem grundlegenden Rekapitulationsvorgang der Migrationspolitik in Bund und Stadt in den letzten Jahren noch viel länger werden.

Darum bitte nicht immer dem ersten Reflex nachgeben und in die braune Scheiße treten. Dieser Reflex hat wie bisher eine Funktion in dem für den österreichischen Staat spezifischen Rassismus. Diese Funktion ist die der Rechtfertigung der diskriminierenden Gesetze. Während sie in einem lauen Jännerlüfterl 1993 mit einer Kerze in der Hand auf dem Ring gegen „Fremdenfeindlichkeit“spazieren gingen, riefen die Sozialliberalen: „Gesetze statt Hetze“. Und die Gesetze sind dann auch geworden. Diese Gesetze (z.B. Aufenthaltgesetz von den Herren Löschnak und Matzka) haben durch die Hetze sowohl eine politische („“Wir“ zeigen Stärke gegenüber „Ausländern“!“) als auch eine moralisierende („“Wir“ zeigen Stärke gegen den „braunen Sumpf“!“) Rechtfertigung gehabt. In dieser Tradition steht auch das neue Wiener Kasperltheater. Die Gesetzgebenden und ihre öffentlichen WortspenderInnen werden sehr wohl wissen, wie sie diese Inszenierung zur Fortsetzung des staatlichen Rassismus einsetzen werden.

Stichwort dazu wäre zum Beispiel das neue Staatbürgerschaftsgesetz. Wir werden sehen, wie die Sozialliberalen sich da verhalten. Bei den Rechtsliberalen scheint mir eine restriktive Richtung wegen der Totgeburt BZÖ fast vorprogrammiert. Jedenfalls werden sich alle auf den angeblichen Volkswillen berufen, der sich durch die Wiener Wahl gezeigt hat.

Noch einmal: Die Hetze ist nicht ausserhalb des Systems, sondern dessen integraler Bestandteil. Dass sie sich jetzt in ihren schlimmsten Auswirkungen gegen die Menschen mit islamischem Bekenntnis richtet, ist nur folgerichtig entlang der immer wieder stattfindenden, durchaus undifferenzierten und dümmlichen, aber umso wirksameren Umstrukturierung des MigrantInnenkörpers. Wieder einmal wird eine bestimmte Gruppe von MigrantInnen zum Haupfeind ausgerufen und wieder einmal gib es linke und rechte selbsternannte „RetterInnen des Abendlandes“. Wieder einmal versuchen „weiße Männer die braunen Frauen von braunen Männern zu schützen“ wie Gayatri Spivak sehr zutreffend schrieb.

Wir sollten diese hegemonialen rassistischen Transformationen rational analysieren und ihnen mit einer entsprechenden antirassistischen Strategie entgegentreten. Und unsere Schreie und unsere Wut in Richtung Handeln umlenken. Eine Militanz ist heutzutage angesichts der Bedrohungen, die auf uns zurollen, durchaus angebracht.

Und noch ein letztes Wort zur Wiener Wahl. Ich bin der Meinung, dass diese Wahlen - da 18% der in Wien lebenden Menschen nicht wählen dürfen - keine legitimen Wahlen sind. Alle zukünftigen Entscheidungen, die von den letzte Woche gewählten RepräsentantInenn geetroffen werden, können die MigrantInenn nicht als legitime Entscheidungen betrachten. Es handelt sich - von der migrantischer Seite her gesehen - um reine Willkürakte dieser Personen und Gremien. Was das für die hier vermeintliche Demokratie heisst, darüber können wir weiter diskutieren.
http://www.zara.or.at

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